Mordslieder
...über abgründige Poesie
und giftige Leidenschaft

Münstersche Zeitung 4/2004
Treffer Kungney

von Dirk Jaehner

MÜNSTER.
Dieser Frau sollte man ständig auf die Finger sehen. Wenn Britta Kungney ihre Freunde trifft, fragt man nicht "Wo?", sondern besser "Wohin?", denn ihre Bekanntschaft kann tödlich sein. Vereinsamt ist sie deswegen aber noch nicht, gut gefüllte Reihen in Münsters Friedenskapelle bei ihrem Chanson-Kabarett-Abend legten davon Zeugnis ab.

Zwei Stunden lang giftet die Sängerin, Schauspielerin, Tänzerin und Kabarettistin, sticht, zersägt, ertränkt und hinterlässt am Ende 69 literarische Opfer. Das Publikum gehört nicht dazu, es sei denn, es hat sich totgelacht. "Bidla Buh" oder "Tauben vergiften" von Georg Kreisler gehören notwendigerweise dazu. Sympathisch auch der Dreh mit dem Lied von der "Seeräuberjenny" aus der Dreigroschenoper: Am Ende sterben nicht "alle" wie bei Brecht, sondern nur Hans-Michael, unter anderem, weil er sich auf dem Klo nicht hinsetzt. Da ist der Weg nicht weit zu Loriots Förstergattin, die ihr Heim durch die Entfernung ihres Gatten schöner macht.

Frauen scheint man ihre letalen Neigungen besonders dann zu vergeben, wenn sie aus Leidenschaft geschehen. Also sado-masochiert Britta Kungney genussvoll schmachtend als Männer mordender Vamp durchs Schlagerrepertoire der 20er, quält wie zur Bestätigung ihren stoischen Pianisten Michael Zieschang und fragt ihn Sekunden später, ob er eine Freundin habe. Seine positive Antwort bedeutet mit tödlicher Sicherheit das nächste Opfer.
Im Halse stecken bleibt das Lachen hingegen bei Liedern über Granaten im Osterhasennest und Panzer unterm Weihnachtsbaum. Dabei ist Britta Kungney im richtigen Leben ausgesprochen friedliebend. Um das zu erfahren, muss man aber bis zur Zugabe bleiben.

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